Um gesunde Grenzen zu setzen braucht es vor allem Mut und Klarheit darüber, was man selber will. Mut der im Vertrauen wurzelt auf eigenen Füßen stehen zu können und in Frieden damit ist, in letzter Konsequenz alleine zu sein. Klarheit darüber, wie man sich selbst behandelt und was es mit einem macht, wenn man es nicht tut.
Anfangs habe ich es allen Recht gemacht, habe durch meine Empathie schon gespürt, was die Menschen wollen, bevor sie es noch selber wussten, geschweige denn äußern konnten.
So war ich meist ein angenehmer Umgang, da ich auch nicht verurteilte. Ich lies die Menschen meist und hatte ein reges Interesse für ihre Geschichte. Da ich auch zu allen Themen etwas zu sagen hatte, war ich ein wohl gelittener Gast.
Ich lies viele Respektlosigkeiten, Herabwürdigungen, Manipulationen, emotionale Ausbrüche, emotionales Abladen und Ausnutzen über mich ergehen. Mein Ausgleich war dann, dass ich mich unsichtbar machte und zurückzog, einfach nichts mehr zurückschrieb.
Was einem Weglaufen gleich kam. Oder ich explodierte und gleich einem Gewitter, entlud sich meine ganze Wut. Danach entschuldigte ich mich häufig, was mich noch weiter in die Abhängigkeit trieb, da sich meine Mitmenschen ihrer Schuld und Umgangsformen gar nicht bewusst waren.
Der nächste Schritt war für mich meine Wut zu meistern. Damals reagierte ich immer sofort, wenn mich jemand aggressiv im Befehlston ansprach. Ich hatte die Ehre zwei Jahre bei einem narzisstisch veranlagten ehemaligen Kommandanten zu arbeiten, der mehrmals am Tag Stimmungsschwankungen hatte und mir so reiflich Übung bat.
Obgleich ich immer wieder mit ihm diskutierte, brauchte ich diese zwei Jahre zum Aufstehen und ihm ebenso mit Wut zu begegnen. Doch im Gegensatz zu ihm, war ich nun Herr über sie.
Bis heute ist es sehr effektiv einmal kurz zu “bellen”, wenn jemand meine Grenzen überschreitet. Auch Hunde tun dies in ihrem Rudel. Es gibt kein aufregen oder hinter dem Rücken reden, wenn die Grenzen zu weit überschritten werden, wird gewarnt, kurz gerauft und danach ist es vergessen.
In meiner weiteren Entwicklung wurde ich mir meines Verhaltens mit mir selbst noch bewusster. Wie rede ich mit mir selbst? Wie behandle ich mich und meinen Körper? Wie verhalte ich mich anderen gegenüber? Was macht es mit mir, wenn ich mich selbst übergehe und für etwas hergebe, für das ich nicht stehen kann? Will ich das überhaupt?
Meist war ich respektlos mit anderen, wenn ich mich übergangen fühlte. Wenn ich nicht den Mut hatte zu mir selbst zu stehen, etwas tat, was ich zutiefst ablehnte und um diesen Verlust auszugleichen, dann die Schuld auf den Initiator projizierte. Dann wollte ich Gerechtigkeit und Ausgleich.
Mein nächster Schritt war den Ängsten, hilflos und wertlos zu sein, zu begegnen. Es begann mit der Erkenntnis, dass ich nicht zu mir stehe, weil ich Angst hatte “abgelehnt zu werden”. Nach mehreren Tagen erkannte ich dann, dass hinter der Angst abgelehnt zu werden, die Angst “zu enttäuschen” steht. Ich bemerkte, wenn ein kleines unselbstständiges Kind weiter spielen will, ruft es die Mutter und hört es nicht, dann hört man oft “Dann lasse ich dich hier.”, dies triggert die Angst “hilflos zu sein”.
Nun bedeutet dies in der kindlichen Logik “Tue ich, was ich will, so werde ich hilflos sein.”.
Ich erkannte etwas später, dass hier auch die Angst “wertlos zu sein” mit hineinspielt. In einer Leistungsgesellschaft fressen den Letzten die Hunde. Ist man anders wird man ausgegrenzt und verurteilt. Tue ich, was ich will, dann bin ich irgendwann alleine und geht es mir schlecht, so habe ich niemanden, der mir hilft und niemanden mehr, der mich braucht.
Da selbst ich mich zu sehr darüber definiert habe, was ich leisten kann und erreicht habe, ist dies natürlich das ultimative Scheitern. Ein Thema mit dem auch viele Pensionisten und Menschen mit Depression zu tun, wie ich beobachte.
Nachdem mir diese Ängste bewusst wurden und ich mich in kleinen Schritten aus meinem gewohnten Gedankenfeld bewegte, wurde ich immer freier. Ich begann das erste Mal mich zu zeigen, wie ich bin. Dies war der nächste Schritt für mich, mich ehrlich zu zeigen und den Menschen mitzuteilen, wie ich mich fühle, was ich toleriere und was ich nicht mehr tolerieren werde.
Dies Zeit hält noch immer an, die Zeit der Briefe. Ich schreibe immer wieder Mal Menschen Briefe darüber, wie es mir wirklich geht, wie ich mich wirklich fühle und wozu ich mich entschieden habe.
Die Briefe dienen nicht der Aussprache, der Verurteilung oder Schuldzuweisung, solche Briefe habe ich vor Jahren geschrieben und überwiegend verbrannt. Die Briefe dienen der Klärung und sie erforderten bis vor kurzen viel Mut, da es in der Klarheit keine Grauzonen gibt. Wenn mein Gegenüber versteht, kann es zu einem weiteren Gedeihen kommen, wenn er missversteht ist die Beziehung zu Ende.
Die letzte Entwicklung ist die Menschen nicht mehr darüber zu informieren, was ich tuen werde, sondern es einfach zu tun. Es geht nur darum mich zu entscheiden und demnach zu verhalten.
Ich bemerkte, rede ich zu viel darüber, dann tue ich es nicht. Es hat zu schnell den Geschmack, dass ich mir Erlaubnis einhole. Hier spielte die Angst alleine zu sein und Vertrauen in meine eigenen Fähigkeiten eine große Rolle.
Im Moment befinde ich mich auf einer Entfaltungsstufe der Wut. Ich habe gerade eine Zeit, in der ich nach vielen Menschen schnappe, die mich nicht sein lassen.
Dieses Verhalten kenne ich von mir und es hat mich oft ausgezehrt, da ich mich selbst dafür verurteilte und wusste, es ist nicht richtig. Hier ist der Moment gekommen es mir zuerst zu erlauben, dass ich jetzt so bin.
Gestern stellte ich mir die Frage: “Wie kann ich die Wut für meine Ziele und Entfaltung kanalisieren?” Heute erkenne ich, es geht darum ihnen zu verzeihen, mich zu entscheiden und danach zu handeln. Es ist nun eine Kombination von Themen.
Ich wünsche dir einen wundervollen Tag.