Oft vergessen wir zu vergeben, tragen alten Ballast lange mit uns. All diese Gefühle der Schuld, Wut, Ungerechtigkeit, Rache gären in unserer Brust und schnüren uns die Kehle zu. Was ist also der Schatten, der uns davon abhält, mit einem Thema endlich abzuschließen?

Vergebung befreit uns! Sie öffnet keinesfalls die Tür für neue Schmerzen.

Die Natur gleicht alles auch, Leere wird gefüllt, das Niedere erhoben, das Hohe erniedrigt. Oft erscheint es anders, weil die Entwicklung über Jahrzehnte, Jahrhunderte und manchmal Jahrtausende andauert. Um eine Eigenschaft auszuleben, leben wir sie zuerst mit uns selbst. Ungeliebte oder traumatisierte Kinder werden zu Erwachsenen, die verletzen.

Ein übertriebener Kritiker kritisiert sich selbst am meisten, ein gewalttätiger Mensch verletzt sich selbst. Es ist schon Strafe, mit sich selbst leben zu müssen. Das Drama geht jedoch tiefer. Verletzt jemand andere, physisch oder verbal, so wird er auch selbst von anderen auf ähnliche Weise verletzt. Karma besagt, werden wir verletzt erhalten wir die Gelegenheit den anderen auch zu verletzen und danach erhält dieser die gleiche Gelegenheit.

Dieses Drama währt fort, bis eine Seite vergibt und aussteigt. Deshalb heißt es, Vergebung befreit uns und Rache ist Gift, das wir selbst trinken. Wir haben allerdings Furcht zu vergeben. Es schmeckt zu sehr danach, dem Gegenüber einen Freifahrschein für weitere Verletzungen auszuhändigen. Vergeben heißt nicht zu vergessen, sondern aus der gegenseitigen Abhängigkeit auszusteigen. Unser Leben zu leben, ohne es von den bisherigen Taten eines anderen abhängig zu machen. Im Sprachgebrauch sagt man nicht umsonst nachtragen, wir tragen die Last nach. Wir wollen es nicht wahrhaben, doch auf einer Ebene brauchen wir es, das Opfer oder der Täter zu sein. Es gibt uns Bestätigung, Aufmerksamkeit und Recht, Rache und Gerechtigkeit auszuüben.

Auszusteigen, die Verantwortung in die eigenen Hände zu nehmen, braucht einen starken Grund. Die Liebe zu uns selbst ist ein guter. Abgeben, aufgeben, vergeben tun wir erst, wenn wir genug haben von dem ewigen Kampf um Reste der Aufmerksamkeit. Die Meinungen anderer geringer schätzen als unsere eigenen Erfahrungen und Werte. Wenn unsere Ethik keine Gesetzte, Richtlinien und Vorschreibungen von außerhalb benötigen, weil wir uns der Konsequenzen unserer Handlungen gewahr sind. Dann ist es auch leicht, zu vergeben.

Vergebung fällt auch schwer, wenn wir erlebtes als sinnlos ansehen. Vergeudetes und Wertloses wirft man weg, schwer es jedoch mit vergangenen Jahren in einer Partnerschaft oder einer Ausbildung zu tun. Erkennen wir jedoch, Szenen unseres Lebens wiederholen sich an unterschiedlichen Orten, mit unterschiedlichen Darstellern, bis wir uns entwickeln. So hätten wir selbiges nur an anderer Stelle erlebt. Diese Erfahrungen formten uns, machten uns zu dem, der wir heute sind. In diesem Moment können wir sie schätzen und vergeben uns unsere Entscheidung.

Jede Pflanze wächst von innen nach außen und so auch die Vergebung. Sie beginnt bei uns selbst, unserer Vergangenheit, unseren Entscheidungen und den Konsequenzen daraus. So fürchten wir uns selbst zu vergeben, als würde das immer Wiederbeleben der schmerzlichen Erinnerungen uns davor bewahren sie wieder zu erleben. Paradox, denn wir tun es in diesem Moment. Wir hüten unsere Sorgen und schmerzlichen Erinnerungen, wie einen Schatz, der davonlaufen könnte.

Überwiegend lernen wir durch Schmerzen und vergaßen, wie wir durch Spiel und Spaß wuchsen. So verwundert es wenig, warum wir ihn so nahe halten. Der Schmerz ist der Antrieb, der uns in neue Erfahrungen treibt. Erst, wenn der Leidensdruck groß genug ist, beginnen wir uns zu verwandeln. Zum Schluss erhalten wir noch Anerkennung, Applaus und Lob, so wir einen leidvollen Kampf siegreich errungen haben.

Spot, Ignoranz und Abfälligkeit sind hingegen der Lohn, wenn wir den leichtesten Weg wählten und aus Freude lernten. “Glück gehabt! Dir geht es ja leicht von der Hand”, hören wir dann mit Geringschätzung im Timbre, als wäre der Schmerz ein Garant für hohe Qualität. Erstaunlich, was sich im Schatten verbarg. Vergebung fällt uns schwer, weil wir den erneuten Schmerz fürchten. Doch nur durch diesen Schmerz erleben wir neue Erfahrungen und Anerkennung. So hüten wir den Schmerz und hegen unseren Groll.

Anregung zur Umsetzung: Wähle dir etwas, das du jemanden nachträgst. Sprich: “Ich vergebe dir.” mehrmals aus. Achte auf die hochkommenden Gefühle. Atme diese Gefühle in deinen ganzen Körper ein und beim Ausatmen lass sie los, entspanne dich. Welche Gefühle hochkommen und ihre Intensität, zeigen dir wie viel noch im Verborgenem ist. Beliebt sind die Worte: “Bitte vergib mir. Ich vergebe dir. Ich liebe dich. Ich danke dir.”

Mache dir bewusst, was du durch deine Erfahrungen geworden bist. Erinnere dich, was du alles durch Freude gelernt hast. Schreibe alles frei nieder, ohne es bereits in Gedanken zu zensieren. Brauchst du die Anerkennung durch schmerzliche Erfahrungen von anderen?

Info: Die Posts werden wieder automatisch auf LinkedIn und Twitter geteilt. 🙂 

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